Jugendarbeit auf TikTok: gibt es das schon?

Das Titelbild zeigt vier Ausschnitte aus den TikTok Videos des Jugendhauses Immenweg

Spoiler: Ja gibt es! In unserem Podcast berichtet Jugendarbeiter Jörg Backes über seine Erfahrungen mit und auf TikTok. Er gehört zu den Wenigen seiner Profession, die sich schon in die Untiefen des momentan am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerks gewagt haben. Die Plattform begeistert, hat aber auch ihre Kritikpunkte. In diesem Artikel bekommst du einen kleinen Einstieg ins Thema.

Ok, TikTok ist jetzt auch kein Geheimtipp mehr. Immerhin 800 Millionen aktive Nutzer:innen hat TikTok weltweit – davon allein 5,5 Millionen in Deutschland. Und wahrscheinlich müssen diese Zahlen in dem Moment, wo du diese Zeilen liest, schon wieder nach oben korrigiert werden. Außerdem ist die App für die kreativen und kurzweiligen Videos sehr beliebt.

Basiswissen TikTok, oder: Was du wissen musst, um mitreden zu können!

TikTok hieß früher mal musical.ly bis die App 2018 von der chinesischen Firma ByteDance gekauft wurde. Die Idee blieb aber die gleiche: Eine kostenlose App, die es Nutzer:innen ermöglicht, 15 bis 60-sekündige Kurzvideos zu erstellen und zu veröffentlichen. (Inzwischen dürfen Videos sogar bis zu 3 Minuten dauern.) Das Magische dabei ist, dass mit relativ wenig Aufwand schon ein ansehnlicher Clip entsteht. Mit Filtern, Effekten und Musik bringt die App so einiges an Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung mit und lädt zum Ausprobieren ein. Die Bandbreite reicht dabei von politischen Kurznachrichten über kecke Tanzeinlagen bis hin zu kurzweiligen Spaßvideos. Und in den genialeren Momenten ist TikTok all das gleichzeitig.

Eine Besonderheit der App ist, dass du dir nicht erst ein Netzwerk aufbauen musst, um Spaß damit zu haben. Der sogenannte „Für Dich“-Feed spült dir gleich beim ersten Öffnen der App ein Video nach dem anderen in deine Startseite. Nach ein paar Videos wirst du merken, dass sich gewisse Inhalte in kreativer Weise wiederholen. Denn TikTok ist berühmt, wenn es um Challenges geht. So kannst du etwa dem gleichen Gesangs-Duett in hunderten verschiedenen Besetzungen lauschen. Neben (zugegebenermaßen mal mehr mal weniger gelungenen und oft albernen) Gesangseinlagen hat sogar die altehrwürdige Tagesschau ihren Weg auf TikTok gefunden.

Aufbauwissen TikTok, oder: Was machen eigentlich Jugendarbeiter:innen auf TikTok?

Das Bild zeigt einen Screenshot des TikTok-Kanals von Billabong.
Der prankige Kanal von Billabong auf TikTok

Fast siebzig Prozent der Nutzer:innen auf TikTok sind zwischen 16 und 24 Jahre alt. Deshalb ist die Plattform für Jugendarbeiter:innen auch besonders spannend. Und tatsächlich tummeln sich schon einige von ihnen auf TikTok. Hier ein paar Highlights:

  • Das Schweizer Jugendhaus und Freizeitzentrum Huebwiesen forderte Jugendliche in der Pandemie mit Challenges und Rätseln heraus. Wie das genau ausschaut, kannst du hier herausfinden: @jugendarbeitnhng.
  • Pranks – also witzige kleine Streiche – sind die Spezialität des Jugendhauses HOT Billabong aus Bielefeld, und sie haben viel Spaß dabei: @billabong607.
  • Der heimliche Star der Jugendarbeiter:innenszene auf TikTok ist aber der Account des Kinder- und Jugendhauses Immenweg aus Berlin Steglitz. In der Imme hat der eingangs erwähnte Jörg Backes in puncto TikTok das Ruder in der Hand genommen und wurde dabei mitunter mit 840.000 Aufrufen belohnt. Den Jugendarbeits-Influencer könnt ihr hier beim Kreativ-Sein beobachten: @die_imme_steglitz.

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, selbst als Jugendarbeiter:in auf TikTok aktiv zu werden, empfehlen wir diese Materialsammlung zum Thema TikTok in der Kinder- und Jugendarbeit.

Expert:innenwissen TikTok, oder: Warum ist TikTok eigentlich so umstritten?

TikTok ist aber leider nicht nur Friede-Freude-Eierkuchen. Die App ist nicht nur extrem hungrig nach Daten, sondern kam auch wegen der Zensur von Inhalten in die Kritik, wie netzpolitik.org immer wieder berichtet – hier einmal ein Artikel aus 2020 und ein zweiter aus 2021. So wurde gezielt die Reichweite von Videos eingeschränkt, die Minderheitenrechte thematisierten. Dahinter wird ein – direkter oder indirekter – Einfluss der chinesischen Regierung auf das Unternehmen ByteDance vermutet – belegt ist dieser allerdings nicht. Spannenderweise haben junge TikTok-Nutzer:innen einen Weg gefunden, die Zensur zu umgehen und damit auf der Plattform selbst dagegen zu protestieren. Sie versteckten ihre Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Beauty-Tutorials, wie ABC News in diesem Video erklärt.

Die Lage mit dem Datenschutz und besonders die Berichte über Zensur auf TikTok machen die Entscheidung, ob und wie du selbst dort aktiv wirst, nicht einfach. Kann man es mit sich selbst vereinbaren, diese Praktiken durch die Nutzung indirekt zu unterstützen? Sollte man lieber die Finger davon lassen, oder versucht man es mit subversiver Kritik von innen? Wie auch immer du dich entscheidest: Der Fall TikTok eignet sich auf jeden Fall wunderbar als ein Diskussionsanlass über (Netz-)politik, Jugend- und Internetkultur sowie Menschenrechte.


Foto Credits: Das Foto haben wir selbst zusammengestitcht aus Screenshots des TikTok Kanals der Imme.